Vorgeschichte zum Projekt Dampfschlepper Albert |
Ganzseitige Hochglanz-Werbeanzeigen fallen sofort ins Auge und sind kaum zu übersehen. So wie es monatelang auch in der Modellbaufachpresse mit dem Graupner-Modell der Saturn der Fall war.
Noch interessanter wird es, wenn man nicht wie sonst üblich den Hinweis "Schnellbaukasten" findet, sondern "Vorbildgetreue Modellkonstruktion eines Hafenschleppers" zu lesen ist. Nach weiteren Internetrecherchen auf der Homepage des Anbieters ist sogar noch zu lesen: "Da das Modell einen gewissen handwerklichen Aufwand verlangt, ist es nicht für den Modellbauanfänger geeignet". Zusätzlich noch ein paar historische Angaben. Mein Modellbauhändler sagte mir, dass Mitarbeiter der Fa. Graupner hier bei uns vor Ort waren und den Schlepper sogar noch einmal vermessen hätten.
Mensch, dachte ich so bei mir, das wäre doch mal was. In meinem umfangreichen Archiv fand ich sogar noch einen alten Bauplan der Saturn und da Weihnachten vor der Tür stand, kaufte ich mir kurzerhand nun doch mal wieder einen Baukasten und...
... die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten.
Schon auf den ersten Blick kam mir die Sache irgendwie komisch vor. Das war nicht die Saturn, das vordere Unterwasserschiff sieht doch beim Original ganz anders aus. Auch achtern stimmt irgendetwas nicht und... hmm... irgendwie so schmal... schon etwas komisch... nein das ist nicht die Saturn.
Nach Sichtung meiner Unterlagen und einiger Fotos stellte sich heraus, der Rumpf ist viel zu schmal. Im Original hat der Schlepper eine Breite von 5 Meter. Der Modellrumpf im Maßstab 1:20 ist nur 20 cm breit. Für die nächste "Maßstabsstufe" 1:22,5 (LGB) zu lang und immer noch zu schmal.
Kann ich jetzt nicht rechnen, oder fehlen da nicht ganze 5 cm? Umgerechnet wäre das doch ein kompletter Meter.
Auch die Form des Vorschiffs und des Achterstevens hatten wenig mit dem Original gemeinsam. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Vorbild waren zwar zu erkennen, aber eben nur ähnlich und wenn man ein Modell nur ähnlich wie das Original anbietet, dann nennt man so etwas vorbildähnlich, keinesfalls aber vorbildgetreu. Lag hier vielleicht ein Irrtum vor, vielleicht ein Packfehler?
Ich rief beim Kundendienst von Graupner an. Eine freundliche Frauenstimme meldet sich und verband mich umgehend mit einem Herrn S., seines Zeichens Konstrukteur des Modells. Ups, dachte ich, das geht ja fix. So wurde am 22.12.2004 gegen 13:30 Uhr folgendes Gespräch geführt:
Herr S.: "S.... was kann ich für Sie tun?"
Ich: "Einen schönen guten Tag, mein Name ist K.... ich hätte gern eine Auskunft zum Modell Saturn, bin ich da bei Ihnen an der richtigen Stelle?"
Herr S.: "Ja"
Ich: "Ich habe mir den Baukasten des Schleppers gekauft und musste leider feststellen, das der Rumpf in den Abmessungen zu schmal ist und wenig Ähnlichkeiten mit dem Original hat. Kann es sein, dass hier eine Verwechslung vorliegt."
Herr S.: "Nein"
Ich: "Ich las mehrfach in der Presse und auf Ihrer Homepage, dass es sich bei dem Modell um einen vorbildgetreue Nachbildung handele und... "
Herr S. reagiert etwas unwirsch und unterbrach mich: "Nein, das ist nicht richtig und es handelt sich um ein vorbildähnliches Modell."
Ich: "Ich habe hier die Zeitschrift Schiffsmodell vom September 2004 vor mir und da steht..."
Herr S. unterbrach mich wiederholt und wirkte etwas genervt: "Nein, das kann nicht sein, so ist das nicht und wir haben immer nur vorbildähnlich geschrieben, denn es handelt sich sowieso eigentlich um den Rumpf eines anderen Modells".
Völlig erstaunt fragte ich: "Dann liegt doch eine Verwechslung vor. Besteht die Möglichkeit diesen Fehler zu korrigieren und mir den richtigen Rumpf im Austausch zuzusenden, denn ich möchte die Saturn nicht mit dem Rumpf eines anderen Modells bauen."
Schweigen.
Ich: "Herr S.?"
Schweigen.
Ich legte dann auf und war also erst einmal etwas baff nach diesem "aufschlussreichen" Gespräch.
Mittlerweile ist mir auch klar geworden, warum Herr S. von einem anderen Modell gesprochen hatte. Es handelt sich nämlich um genau den gleichen Rumpf, der auch bei dem Modell der Dampfbarkasse Otto Laufer verwendet wird, was sich nach einer Überprüfung dieses Baukastens bei meinem Modellbauhändler bestätigte. Auch hier wird mit "Vorbildtreue" geworben.
Die Otto Laufer ist im Original 17 m lang und 3,88 m breit. Der Baukasten ist im Maßstab 1:20. Nun darf jeder mal selber rechnen - der Modellrumpf ist 81 cm lang und 21 cm breit - demnach ist das Modell 2 cm zu breit und 4 cm zu kurz... ups, das sind doch auf das Original umgerechnet 40 cm bzw. 80 cm Unterschied.
Natürlich kenne ich die kontroversen Diskussionen über vorbildgetreu und vorbildähnlich und letztendlich ist mir ebenso klar, dass aus wirtschaftlichen Aspekten heutzutage bei einem doch relativ preiswerten Serienprodukt von der Stange nicht unbedingt mit ausgezeichneter Qualität zu rechnen ist. Jedoch darf dann nicht mit Vorbildtreue und Anspruch geworben werden.
Im Laufe des Projektes hat sich gerade der zu schmale Rumpf und die zwar im Maßstab stimmenden aber im Verhältnis zu großen Aufbauten, in Verbindung mit zusätzlichen Bauunterlagen während des Baugeschehens derart negativ bemerkbar gemacht, dass ich vor lauter Frust nach mehr als 350 Baustunden das Projekt beendete und das Modell unvollendet verkaufte.
Der zweite Anlauf
Nach dem etwas ärgerlichen Einstieg wollte ich dem Modell eine zweite Chance geben, jedoch beschränkte ich mich dieses Mal lediglich auf den Rumpf und das Schanzkleid, auch auf Grund dessen, weil ich eher ein Rumpfbaumuffel bin.
Als Maßstab werde ich mich auf 1:22,5 festlegen. Zum einen passen dann die Proportionen wesentlich besser und andererseits sollte der Schlepper diesmal auch eine Besatzung bekommen. Für den sog. "Gartenbahn-Maßstab" (LGB) ist die Auswahl an Figuren wesentlich besser als im Maßstab 1:20.
Wie schon erwähnt, stimmen die Abmessungen und die Form des Rumpfes nicht mit dem Originalschlepper überein. Zudem handelt es sich bei der Original-Saturn ja eigentlich um ein Museumsschiff, welches seit einigen Jahrzehnten auf dem Trockenen liegt. Ich möchte aber ein fahrbares Modell bauen. Welchen Kompromiss soll ich nun eingehen? Soll es ein vorbildähnlicher Typnachbau werden, oder soll ich mich konsequent an das/ein Original halten?
Im Laufe der Bauphase wurde ich dann auf einen ganz anderen Schlepper aufmerksam. Die Silhouette des Deckaufbaus faszinierte mich so sehr, dass ich mich entschlossen die komplette Richtung zu ändern und so habe ich mich entschlossen einen freien Typnachbau zu realisieren. Ich möchte gern meiner Fantasie freien Lauf lassen und das übernehmen was gefällt, ohne Stilbruch zu begehen.
Letztendlich will ich auch einfach mal zeigen, was man mit ein wenig Geduld, einer guten Beobachtungsgabe und viel Freude am Hobby aus einer nackten Plastikrumpfschale "zaubern" kann und dabei auch der finanzielle Rahmen im Bereich des Möglichen bleibt.
Hauptanliegen dieses Berichtes wird das "Detailtuning" sein. Alle Arbeitsschritte bis ins Detail zu kommentieren, würde wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen. Manches werde ich nur nebenbei anmerken, auf manches werde ich näher eingehen.
Nicht immer wurden Details mit normalen "Hausmitteln" produziert. Manche Details lassen sich ohne Fräse und Drehbank nur schwer herstellen und es gibt immer mindestens zwei Weg, die zum Ziel führen, deshalb versuche ich auch Alternativen anzubieten. Jeder hat seinen eigenen Stil - ich berichte so, wie ich es getan habe und dabei muss es nicht unbedingt die Patentlösung sein. Vielleicht kann ich ja so auch eine paar Anregungen für das eigene Modell anbieten.
Also, frisch ans Werk und ab in die Modellbauwerft, weiter geht es im Baubericht des zweiten Modells.